Heinrich der Seefahrer


 
Lebenslauf


1394 


Dom Henrique (Prinz Heinrich) wird am 4.März 1394 in Porto als 4. Sohn des Königs João I. und seiner Ehefrau Phillipa von Lancaster geboren.

1412



Dom Henrique rüstet zusammen mit seinen Bruder Pedro in Porto die portugiesische Flotte für einen Überfall des maurischen Stützpunktes Ceuta in Nordafrika aus.

1415

Ende Juli läuft die Flotte aus Lagos aus und am 21. August wird Ceuta erobert
1416
Als Dank für seine Leistungen wird Dom Henrique die Stadt Ceuta anvertraut
1418
Dom Henrique wird Gouverneur und oberster Verwalter des Ordens der Christusritter
1418
bis
1419
Seine Schiffe fahren erstmals die Inseln Madeira und Porto Santo an, die schon auf Karten des 14. Jhdts verzeichnet waren.

1425
Es beginnt die Kolonisierung der Inseln Madeira und Porto Santo
1427
Die Schiffe des Dom Henrique erreichen die Azoren
1433

Sein Vater stirbt und Dom Henrique siedelt endgültig an die Algarve. Er gründet in Sagres die "Seefahrerschule" und bildet dort seine Kapitäne aus.
1434
Kapitän Gil Eanes aus Lagos umsegelt im Auftrag von Dom Henrique erstmalig das Kap Bojador
1437



Seine Truppen erleiden in Tanger eine selbstverschuldete Niederlage; Der Bruder des Dom Henrique, Fernando, gerät in maurische Gefangenschaft und wird von ihm nicht - wie die Mauren es wünschten - gegen die Stadt Ceuta ausgetauscht. Fernando stirbt nach 11-jähriger Gefangenschaft.
1441
bis
1444
Seine Schiffe erreichen die Kap Verden, Senegal, und Gambia


1441

Er baut in Lagos erstmalig leichtggängige Karavellen, die gegen den Wind segeln und auf grund Ihres geringen Tiefgangs küstennah und in den Flüssen Afrikas operieren können.
1443

Erstmals werden in Lagos nicht nur Gewürze, Zucker und Elfenbein sondern auch Sklaven angelandet. Dom Henrique erhält das alleinige Recht zur Durchführung von Schiffsfahrten südlich des Kap Bojador.Ferner wird ihm das Gebiet von Sagres zur Verwaltung übertragen.
1444
bis
1446
Seine Schiffe erreichen Guinea


1444

Dom Henrique gründet in Lagos die Companhia de Lagos, die das Handelsmonopol mit Afrika erhält
1452
Ab 1452 lebt Dom Henrique bevorzugt an der Algarve
1457
Ab 1457 lebt Dom Henrique bevorzugt in Sagres
1458





Dom Henrique schifft sich mit 250 000 Soldaten in Lagos ein und erobert nach 8 Tagen Alcãcer Seguer; dies ist sein letzte und späte Triumpf über die Mauren.
Heinrich der Seefahrer hat danach die Algarve nicht mehr verlassen und sich ausschließlich "seiner Stadt" Sagres zugewandt. Er plante sein Hauptquartier vollständig von Lagos nach Sagres zu verlegen seinen Plan konnte er jedoch nicht mehr beenden - die Bauten wurden nicht mehr fertiggestellt.
1460

Am 13.11.1460 stirbt Dom Henrique in Sagres. Sein Leichnam wird in der Igreja Santa Maria in Lagos beigesetzt und später nach Batalha überführt.


Heinrich der Seefahrer - Mythos und Wirklichkeit


Das glorifizierende Bild, das die Geschichtsschreiber vor allem des 19. Jhdts von Heinrich dem Seefahrer gezeichnet haben und das bis in die 60er des 20.Jhdts Bestand hatte, ist aufgrund neuerer Geschichtsforschungen in Portugal etwas ins Wanken geraten, so daß sich folgende Fragen stellen:

1. War der zum Idealbild hochstilisierte "Heinrich der Seefahrer" tatsächlich so ein stolzer Seefahrer und uneigennütziger Forscher ?`
2. Gab es die vielgerühmte und immer wieder zitierte "Seefahrerschule" in Sagres wirklich ?


Zur ersten Frage ist unstreitig festzustellen, dass Dom Henrique kein Seefahrer war, der seine Schiffe selbst befehligte oder steuerte; er war kein Praktiker sondern nur ein Theoretiker. Er soll nur einmal die Planken eines Schiffes betreten haben, als er 1415 zur erfolgreichen Expedition nach Ceuta auslief. Heinrich war der Theoretiker schlichthin - aber einer mit Geld, einem unheimlichen Wissensdurst und nicht zuletzt getrieben vom Kampfeswillen gegen alle Nichtchristen - sprich Mauren.

Auch seine Uneigennützigkeit wird heute etwas in Zweifel gestellt.
Seine Forschungen finanzierte Heinrich weniger aus eigener Schatulle sondern mit Mittel des Ordens der Christusritter, dessen oberster Verwalter er war, und aus Steuergeldern, die er von den einfachen Leuten der Algarve eintrieb. Wirtschaftlich profitiert hat er anscheinend auch von den diversen "Forschungsreisen" seiner Schiffe - so hatte er 1444 in Lagos die Companhia de Lagos gegründet, die das Handelsmonopol mit Afrika erhielt.
Er hatte außerdem an der Alkgarveküste das alleinige Recht zum Thunfischfang; die Fischer mussten seinerzeit jeden "Zehnten" an Heinrich abgeben.
Zudem ist festzuhalten, dass er seine politischen und wirtschaftlichen Ziele sehr rigoros verfolgte - tauschte er doch seinen Bruder Fernandes entgegen dem Vorschlag der Mauren nach der verlorenen Schlacht in Tanger 1437 nicht gegen die besetzte nordafrikanische Stadt Ceuta aus; Fernandes verstarb nach 11 jähriger Gefangenschaft imn maurischer Haft.

Auch die Existenz seiner berühmten "Seefahrerschule" in Sagres wird von vielen Forschern in Zweifel gezogen. Richtig ist wohl, dass er an der Algarve (Lagos und Sagres) hervorragende Seefahrer, Nautiker, Kartographen und Astronomen um sich versammelte und bemüht war, das Wisssen zu sammeln und zu koordinieren. Hierbei waren seine Bemühungen und Forschungen offenbar sehr erfolgreich. Als Beispiel sei nur auf den von ihm gebauten neuen Schiffstyp der Karavelle hingewiesen.
Mit Hilfe eines holl. Schiffbauers wurden maßgebliche Bauelemente der hochseetüchtigen Hansekogge übernommen - der breitbauchige Schiffsrumpf mit geringem Tiefgang bot hohen Wellen weniger Angriffsfläche und war darüberhinaus für Forschungsreisen an der afrikaniscen Küste bestens geeignet, das Steuerruder wurde in der Mitte des Hecks plaziert (bis dahin nicht üblich) und die 3 Masten wurden nur noch hinten mit einem Lateinsegel und im übrigen mit Rahsegeln betakelt. Diese Veränderungen verbesserten entscheidend die Manöverierfähigkeit der Schiffe und erlaubten erstmalig auch das Kreuzen gegen den Wind.
Man darf sich jedoch wohl nicht vorstellen, dass Heinrich in Sagres eine "Seefahrerschule" im engeren Sinne des Wortes betrieben hat. Die dort befindlichen Festungsanlagen waren maurischen Ursprungs - die von Heinrich dort ab 1458 geplanten Gebäude wurden, wurden bis zu seinem Tod 1460 nicht mehr beendet.

Was bleibt also übrig vom Mythos des Infanten Dom Henrique ? - Antwort: Sehr viel !!

Dom Henrique war ein moderner Mensch, der sich vom mittelalterlichen Denken erstmalig löste und letztendlich verantwortlich zeichnete für den Aufstieg Portugals zur Weltseemacht.
Geprägt von einem unheimlichen Wissensdurst wertete er auch zugängliche arabische Quellen aus - er hatte insoweit keinerlei Berührungsängste. Er bewies mit seinen Erkundungsfahrten, dass das "Meer der Finsternis" - so nannte man das Meer südlich des Kap Bajador - nicht existierte, dass die Welt dort nicht aufhörte, dass dort keine Höllenglut herrschte und keine Seeungeheuer hausten. Im Gegenteil - die Araber schienen mit ihren Aufzeichnungen und Berichten recht zu haben. So war es Heinrich zu verdanken, dass die mittelalterlichen Vorstellungen über Bord geworfen wurden - ein für die damalige Zeit ungeheuerlicher Vorgang und wohl eine der größten Verdienste des Infante Dom Henrique.

Seine Schiffe durchkreuzten auch nach seinem Tod die Weltmeere und erreichten 1462 Liberia, überquerten 1471 den Äquator, entdeckten 1486 Angola und 1487 das Kap der Guten Hoffnung (Bartolomeu Dias).
Auf der Suche nach dem Seeweg nach Indien befuhren sie das nördliche Eismeer, Vasco da Gama umschiffte das Kap der Guten Hoffnung und erreichte am 20. Mai 1498 den indischen Hafen Calicut. Im Jahre 1500 eroberte Pedro Alvares Cabral Brasilien. In den Jahren 1510/1511 wurde Goa und die Molukken besetzt, 1518 Java, Banda, Amboina und Madura entdeckt und 1518 Ceylon und 1520 Kanton besetzt.

All dieses wäre ohne Heinrich nicht denkbar gewesen. Sein Wirken war für Portugal Fluch und Segen zugleich: Nicht das Erdbeben 1755 und die Pest - vornehmlich der Aufstieg zur Weltmacht überforderte das kleine Land - noch heute scheint es unter der damaligen Auszehrung zu leiden und träumt man von der einstigen Pracht und Größe - ist gleichzeitig wie damals weltoffen und allem Neuen positiv zugewandt.

Trauer um das verlorene Weltreich, Leid, Hoffnung auf bessere Zeiten und Sehnsucht nach fernen Ländern - all dieses findet auch heute noch seinen Ausdruck im "Fado" -dem portugiesischem Volksgesang.

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Online-Reiseführer Algarve      ©  2000 Marlene Bunge-Kersten und Hans-Joachim Bunge